Kapitel 14 – Stewart Island & Southland

Nachdem wir die Catlins hinter uns gelassen hatten, machten wir uns auf nach Invercargill. Wir waren schon seit längerer Zeit sehr gespannt auf das, was uns jetzt bevorstand. Der Plan war, den Rest von Southland zu erkunden und dann mit der Fähre nach Stewart Island überzusetzen. Stewart Island befindet sich direkt an der südlichen Küste der Südinsel. Tatsächlich liegt Stewart Island so nahe an der Südinsel, dass Captain Cook, als er damals Neuseeland kartographierte, Stewart Island fälschlicherweise als Halbinsel betrachtet hat. Die Foveaux Strait, die die Insel vom Festland trennt, wurde erst später entdeckt. Die Insel selbst wurde uns immer wieder als abgelegen, ruhig und naturbelassen beschrieben. Da dies aus europäischer Sicht eigentlich auf die meisten Regionen in Neuseeland zutrifft, waren wir sehr gespannt.

Vorher verbrachten wir noch einige Tage in Invercargill und in Riverton, da wir noch den einen oder anderen Schnupfen auskurieren mussten. Aber schließlich wagten wir uns auf die große Fahrt, um eine weitere Insel im Südpazifik zu erkunden. Und ich kann euch sagen: schon die Überfahrt selbst war ein Abenteuer, bei dem die meterhohen Wellen unser Boot wie eine Nussschale durch die Gegend schaukeln ließen und teilweise über das Deck schlugen. Die Fahrt war glücklicherweise nicht sonderlich lang und nach einer sehr turbulenten Stunde hatten wir wieder festen Boden unter den Füßen. Alles in allem haben wir in Southland ein paar bemerkenswerte Dinge erlebt. Aber lest selbst.

Invercargill & Burt Munro

Bevor wir unsere große Überfahrt genießen konnten, besuchten wir die Stadt Invercargill, die relativ provinziell daher kommt. Allerdings hat sie viele nette Häuschen und einen wunderbaren Park zu bieten. An vielen Ecken findet man hier eine Verbindung zum Volkshelden der Region: Burt Munro, ein Mann der mit 68 Jahren einen Geschwindigkeitsrekord auf einem Motorrad in der Klasse unter 1000 cm³ von nahezu 300 Km/h aufstellte. Ganz im Kiwi-Style feilte er selbst lange an seiner Indian Scout, um diese Geschwindigkeit zu erreichen. Wen die komplette Geschichte dazu interessiert, der sollte sich den Film „The world‘s fastest Indian“ ansehen. Jedenfalls konnten wir in Invercargill die originale Maschine dieses Rekords besichtigen.

Natürlich machten wir uns von Invercargill auch einmal nach Bluff auf. Der zwar nicht offiziell südlichste Punkt Neuseelands, aber dennoch irgendwie die Südspitze des Landes und der Startpunkt des Statehighway One, der sich komplett vom äußersten Süden bis zum Cape Reinga führt, wo wir Monate zuvor gewesen sind.

Waipapa Point

An einem weiteren Abend begab ich mich mal wieder auf die Jagd nach Südlichtern. Mittlerweile war daraus wohl eine Art Obsession geworden. Der Sternenhimmel zeigte sich an der südlichen Küste von seiner besten Seite. Waipapa Point selbst war auch ein wunderbarer Ort für eine nächtliche Fotosession. Der Blick nach Süden war frei, das Wetter war gut, es gab einen Leuchtturm und wir waren fast am südlichsten Zipfel der Südinsel. Die Aurora ließ allerdings auf sich warten und zeigte sich auch nicht mehr so stark wie Tage vorher in den Catlins. Ein paar schöne Aufnahmen konnte ich dennoch mit nach Hause nehmen.

Riverton

Wir machten uns bald auf nach Riverton, weil uns der Ort besser gefiel. Von dort aus erkundeten wir die Gegend und hatten einige wunderbare Tage. Cosy Nook beeindruckte mit Stränden und Felslandschaften und kraftvollen Wellen. In Riverton selbst war die See ebenfalls schön anzusehen und die Felsen hatten fast dieselbe Färbung wie das unglaublich türkis-blaue Wasser. Ein Stückchen weiter die Küste entlang, in Clifden, besichtigten wir eine alte Brücke, die allerdings nur noch für Fußgänger genutzt wurde.

Am Abend durften wir auf unserem Campingplatz Zeugen eines magischen Moments werden. Die Besitzer des Platzes hielten auf einer nahe gelegenen Weide Schafe und wir hatten die Möglichkeit eine Mutter und ihre gerade fünf Minuten alten Lämmer zu bestaunen. Ehrfürchtig sahen wir ihr dabei zu, wie sie ihre Kleinen pflegte.

Das war aber nicht alles, was Riverton zu bieten hatte. Wenn in einem verschlafenen Nest wie Riverton mal etwas los ist, dann kommen die Besucher aus allen Ecken und wohnen dem Fest bei. An einem sonnigen Sonntag fand die jährliche Oldtimer-Show in Riverton statt und wir haben uns gedacht, das könnte interessant werden und damit lagen wir richtig. Jede Menge Chrom und glänzende Lacke, alte Motoren und Karossen gab es zu bestaunen. Es schien, als hätte jeder Oldtimer-Besitzer im Land seine Karre aufpoliert und sei nach Riverton gefahren. Volksfestatmosphäre mit Grillstand vom lokalen Motorclub und Holzhack-Wettbewerb. Ein wirklich interessanter Nachmittag.

In der Nach schnappte ich mir dann noch mal meine Kamera und zog wieder los, um ein paar Stunden an der Küste zu verbringen und die Aurora zu jagen. Hier hatte ich wieder etwas mehr Glück als am Waipapa Point. Die Nacht war allerdings sehr kalt und nach dem für eine kurze Zeit die Südlichter den Himmel erhellten machte ich mich schnell wieder auf zum Campingplatz.

Stewart Island

Letzten Endes war es dann tatsächlich soweit. Wir waren wieder gesund, hatten unsere Sachen gepackt und waren bereit für das Abenteuer Stewart Island. Die Fähre wartete und die Hütten waren gebucht. Wir setzten früh morgens über und starteten noch am selben Tag zu einer dreitägigen Wanderung. Auf dem Rakiura Track wollten wir die Insel erkunden. Schon beim Anlegen bekamen wir dieses Inselgefühl, als würde sich die Welt hier tatsächlich ein wenig langsamer drehen. Es gab nicht viele Straßen, nicht viele Autos und nicht viele Menschen.

Rakiura Track

Wir starteten unsere Wanderung in Richtung Port William Hut und liefen an der Küste entlang. Immer wieder passierten wir kleine Buchten und Strände, welche wahnsinnig verlassen und wild anmuteten. Wer glaubt, das Wetter in Neuseeland kann sich schnell ändern, der war noch nicht auf Stewart Island. Im fünf Minuten Takt wechselten sich Sonne und Regen ab und wir wussten kaum noch was wir tragen sollten. Am Maori Beach, fast schon an der Hütte, konnten wir beobachten wie sich das vom Sediment gefärbte Flusswasser mit dem Meerwasser vermischte. Alles in allem ein gelungener Start. Später am Abend wurde uns klar, wie allein man hier wirklich sein kann, im Regenwald. Als wir es bis zur Hütte geschafft hatten und dort unseren Schlafplatz bezogen hatten, merkten wir als es langsam dunkel wurde, dass wir vermutlich die Nacht alleine auf der Hütte verbringen würden.

Ganz alleine waren wir allerdings nicht, wie wir später feststellten. Es war noch nicht ganz dunkel, aber der Mond war schon über der Bucht aufgegangen, in der ein kleines Boot lag. Wir zwei saßen in der Dämmerung, als vier Männer lauthals am Ufer auftauchten. Es waren Fischer, die mit ihrem Boot in der Bucht lagen und sehen wollten, wer dort in der Hütte die Nacht verbringen wollte. Sie erzählten uns von einer Höhle, in der ein Seehund sein sollte und wollten uns die Höhle zeigen. Sie erzählten uns vom Tauchen nach Muscheln und von den großen weißen Haien, die man relativ häufig hier an der Küste findet. Sie luden uns ein auf ihr Boot zu kommen, damit sie uns zeigen konnten was sie machten. Zugegeben, es klingt ein wenig wie der Beginn eines klassischen Horrorfilms. Allerdings sind wir hier in Neuseeland. Es war also genauso wie diese Herrschaften es angekündigt hatten. Wir sahen einen ziemlich großen Seehund, lernten etwas über das Sammeln von Paua, eine spezielle Muschelsorte, hatten eine wirklich witzige Unterhaltung und bekamen noch zwei dieser Paua-Muscheln plus Butter und Zwiebel (zum Anbraten) geschenkt. Normalerweise nicht das Günstigste, was man im Fischladen kaufen kann und definitiv eine unglaublich luxuriöse Kost für eine Mehrtageswanderung. Klasse, die Jungs!

Am nächsten Tag machten wir uns darauf die Insel von einer Küste zur anderen zu durchqueren. Der Weg führte uns durch dichten und sehr naturbelassenen Wald. Auf halber Strecke fanden wir ein paar im Wald stehen gelassene alte Dampfmaschinen. Diese dienten einst der Holzfällerei, da der Wald allerdings rechtzeitig geschützt wurde und zum Nationalpark wurde, fand diese Holzwirtschaft hier nicht in dem Maße statt wie an anderen Orten in Neuseeland. Die schweren Maschinen wurden dort gelassen und stehen nun seit Ende des 19. Jahrhunderts dort.
Der für unsere Verhältnisse etwas zu lange Weg durch die Mitte der Insel wurde am Ende mit einer wunderbar gelegenen Hütte direkt am Patterson Inlet belohnt. Von der Terrasse aus hatten wir einen herrlichen Blick auf die Bucht. Diesmal waren wir nicht alleine in der Hütte. Ein weiteres Pärchen teilte sie mit uns. Es war also wieder relativ einsam im Nationalpark und es war schön den Abend mit den Beiden zu verbringen. Wir sollten sie später noch an verschiedenen anderen Orten in Neuseeland wieder treffen.

Der letzte Tag ging wieder größtenteils die Küste entlang und war wieder wunderschön. Wir hatten die ganze Zeit auf der Insel für die Verhältnisse von Stewart Island unverschämt gutes Wetter und so war es ein traumhafter letzter Tag auf dem Rakiura Track. Nach drei Tagen in der Wildnis zogen wir, uns nach einer Dusche sehnend, in Oban ein und genossen es wieder in einem echten Bett zu schlafen. Ein ganz wunderbarer Ausflug.

Ulva Island

Am nächsten Tag ging es aber auf eine weitere Erkundungstour. Ulva Island ist eine kleine Insel im Patterson Inlet, auf der man es geschafft hatte, alle ungewünschten Jäger los zu werden. Somit können hier die natürlich vorkommenden Vögel Neuseelands prächtig gedeihen ohne die Gefahr von Ratten, Opossums oder Frettchen gefressen zu werden.
Und in der Tat betraten wir einen Wald, in dem die Vogelpracht einzigartig war. Der Tui mit seinem fast verrückt klingenden Gesang und seinem weißen Federball auf der Brust ist einer meiner Lieblinge hier. Er ernährt sich von Nektar und ist in der Lage Geräusche zu imitieren und tut dies auch besonders gerne. Aber auch der New Zealand Robin ist ein ganz besonderer Vertreter der Vogelwelt. Neugierig und vornehm flog er von Ast zu Ast um uns herum. Mit roten Augen und braunem Gefieder streifen Wekas durch die Wälder und suchen den Boden nach Futter ab. Sie haben zwar noch Flügel, können damit aber gerade mal einen Sprung unterstützen. Dafür sind sie laufend umso schneller und tatsächlich unglaublich frech. Man sollte besser auf alles aufpassen, was man bei sich hat, denn diese Vögel öffnen Rucksäcke oder sogar Zelte und holen sich dort etwas Essbares. Dennoch macht es Spaß ihnen zu zusehen. Am Ende des Tages machten wir noch Halt in einer kleinen Bucht, als plötzlich ein großer Seehund angeschwommen kam. Er stoppte kurz, sah uns, dachte sich vermutlich: „Mist, schon besetzt“, gähnte und schwamm wieder fort.

Irgendwie endet jeder Artikel in einem Sturm aus Begeisterung. Aber ich muss sagen, dass Southland uns besonders gut gefallen hat (wie fast alles in Neuseeland).
Hier am McCracken’s Rest könnte ich übrigens auch wieder ewig sitzen und auf das tief türkis-blaue Meer starren. Zur linken Seite die Küste bis nach Riverton und Invercargill, manchmal der Schatten von Stewart Island in der Ferne und zur rechten Seite die Ausläufer des Fjordland Nationalpark.