Kapitel 10 – Glacier Country

Der nächste Teil der Reise sollte uns einige besondere Orte sehen lassen. Wir fuhren die West Coast weiter gen Süden. Unser Weg führte durch das Land der Gletscher bis nach Haast. Von dort aus sollte es bald weiter ins Landesinnere gehen, aber das ist ein anderes Kapitel. Wir hatten einige wunderbare Bergwanderungen vor und als ganz besonderes Special einen Rundflug um den Mount Cook.

Hokitika Gorge

Auf unserer Reise weiter Richtung Süden fuhren wir noch einmal etwas landeinwärts, um Hokitika Gorge zu sehen. Hokitika Gorge zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass das Wasser einfach eine unglaubliche Farbe hat. Es ist nicht klar, sondern geradezu milchig. Außerdem ist es sehr weich auf der Haut. Ich persönlich habe noch nie einen Fluss in so knalliger Farbe gesehen. Umrandet von Klippen und Grün, scheint man in ein kleines Traumland entschwunden zu sein. Wären da nicht die Sandflies, die einem einen Badetag doch etwas vermiesen würden. Dennoch: ein Trip dorthin lohnt sich allemal!

Franz Joseph

Als wir in Glacier Country ankamen war uns klar, dass wir uns ein wenig Zeit nehmen wollten und mussten. Denn die unglaubliche Natur in diesem Teil des Landes wollte entdeckt werden. Wir suchten uns einige Wandertouren aus, die wir machen wollten und warteten auf das passende Wetter.

Als erstes nahmen wir uns eine 18 Kilometer lange und steile Wanderung auf den Gipfel des Alex Knob in 1303 Metern Höhe vor. Die Besonderheit: der Berg liegt an der Südflanke des Franz Joseph Gletschertals und bietet bei gutem Wetter eine wundervolle Sicht auf den direkt gegenüberliegenden Gletscher. Wir starteten die Tour um sieben Uhr in der Frühe, im Dunkeln. Wie wir es schon erwartet hatten, forderte die Strecke uns enorm, belohnte uns aber nach den ersten zwei Stunden mit dem ersten Aussichtspunkt. Hier präsentierte sich der Gletscher zum ersten Mal in seiner ganzen Schönheit und für uns war es das erste Mal, dass wir einen Gletscher sahen. Dies war mal wieder einer dieser Momente der Sprachlosigkeit, die man hier öfter erlebt.

Nach einer kurzen Pause war es dann auch nicht mehr weit zum zweiten Aussichtspunkt, von dem man eine noch bessere Sicht auf das Gletschertal hatte. Weiter ging es von hier aus, immer enger und steiler werdende Passagen den Berg hinauf. Teilweise mit kleinen Klettereinlagen über umgestürzte Baumstämme und darunter hindurch. An einer Stelle mussten wir die Rucksäcke abziehen und unter ein paar Felsen hindurch kriechen und das Equipment hinterher reichen. Der Dschungel lichtete sich irgendwann und der Weg schmiegte sich eng an den Fels. Als wir aus dem Wald kamen und ins Tal auf der anderen Seite schauten, bot sich eine wahnsinnig schöne Aussicht, die bis zum fast 20 Kilometer entfernten Ozean reichte. Der Weg führte einsam über einen Grat, der nur einige Meter breit war, bis zum Gipfel. Auf der einen Seite ging es „nur“ einen mittelmäßig steilen Abhang hinunter. Auf der anderen Seite war es mehr als steil; man blickte die Bergflanke hinunter. Nächste Station: der einen Kilometer tiefer gelegene Talgrund.

Der Weg zum Gipfel war dann nicht mehr weit. Enttäuschung machte sich schnell mit der Erkenntnis breit, dass Wolken aufgezogen waren. Wir aßen unsere Snacks und warteten. Und nach einer ganzen Weile tat sich tatsächlich eine Lücke in den Wolken auf und die Sicht auf den Gletscher war frei.

Ein unglaublicher Tag. Nach fast neun Stunden ging es für uns wieder zurück zum Campingplatz und unter die Dusche. Der Abend belohnte uns aber noch mit unglaublichen Farbspielen in den Bergen um Franz Josef.

Der zweite Track, den wir in dieser Region machen wollten, war etwas kürzer und sollte uns zum Aussichtspunkt am Robert’s Point führen. Diesmal ging es auf der anderen Seite des Gletschertals in Franz Josef in Richtung Gletscher über Stock und Stein und die ein oder andere etwas steilere Passage hinauf. Wir passierten teilweise 100m lange Hängebrücken über kleine Nebenströme, die ins Tal flossen und ich kann euch sagen, die wackeln ganz schön. Hier kommt richtiges Abenteurer-Feeling auf. Ganz am Anfang wurden wir an einem kleinen Spiegelsee mit einer unglaublichen Sicht auf die Berge belohnt. Für Leute, die nicht den ganzen Track gehen wollen, lohnt es sich zumindest die ersten fünf Minuten bis zum Peter’s Pool zu laufen. Aber auch im weiteren Verlauf des Wanderwegs kommt man an einigen sehr schönen Stellen vorbei, die immer dazu einladen einen Augenblick Pause zu machen und zu genießen. Am Ende kommt man, anders als beim Alex Knob Track, sehr nah und sehr frontal an den Gletscher heran und ist auch hier wieder überwältigt von der schieren Größe der Eismasse und von deren surreal blauer Färbung. Auf dem letzten Foto kann man übrigens den Kamm und Gipfel erkennen, den wir am Tag zuvor bestiegen hatten.

Fox Gletscher

Nach diesen wunderschönen Tagen in Franz Josef machten wir uns auf ins nur ein paar Kilometer entfernte Fox Glacier Village. Uns standen drei Tage Regenwetter bevor und wir beschlossen diese in Fox abzuwarten, um weiterhin die Sehenswürdigkeiten des Glacier Country bei besserem Wetter genießen zu können. Am ersten Tag ohne Regen machten wir uns zum Fox Gletscher auf und liefen den kurzen Wanderweg durchs Gletschertal direkt zum Aussichtspunkt. Verglichen mit dem Franz Josef wirkt der Fox Gletscher geradezu winzig. Wir waren sehr schockiert, da wir die Bilder sahen auf denen der Gletscher noch vor ein paar Jahrzehnten das komplette Tal einnahm. Falls jemand also noch mal an der globalen Erwärmung zweifelt; diese Bilder sprechen für sich.

Mount Cook

Der höchste Berg des Landes hatte uns schon von Anfang fasziniert. Hier von der Westküste aus konnten wir ihn zum ersten Mal sehen. Auch wenn er von unserem Standpunkt aus auf der anderen Seite des Zentralmassivs lag ein beeindruckender Anblick. Wir hatten zu dieser Zeit Besuch von zuhause und entschieden uns dazu einen Rundflug um den Mount Cook zu buchen. Dies war eine sehr gute Entscheidung. Wir waren etwas skeptisch, weil das Wetter in den Tagen davor so unbeständig gewesen war und wir nicht bei schlechtem Wetter fliegen wollten. Aber als wir an diesem Morgen aus dem Bett stiegen war keine einzige Wolke zu sehen und nur wenige Minuten nach dem Start kamen wir aus dem Staunen schon nicht mehr raus. Wir überflogen die Gletscher und die Berge und konnten die gesamte Region aus fast 4000 Metern Höhe sehen. Vom Lake Pukaki bis zur Tasmansee hatten wir einfach eine traumhafte Aussicht. Wir stiegen nach einer guten Stunde wieder aus dem Flugzeug und konnten unser Glück kaum fassen, da dies so beeindruckend gewesen war.
Definitiv ist das eines der Highlights unserer Reise gewesen. Und gerne würden wir dies wiederholen. Wie es wohl wäre mal auf dem Gipfel zu stehen.

Lake Matheson

Wenn man in der Gegend um den Fox Gletscher unterwegs ist, dann darf natürlich ein Besuch beim Lake Matheson nicht fehlen. Dieser Spiegelsee bietet einen schönen Rundweg, der auch für Anfänger sehr leicht und nicht sonderlich anstrengend sein dürfte. Nach wenigen Minuten erreicht man einen Aussichtspunkt, von dem man eine gute Sicht auf die Berge hat und bei entsprechendem Wetter eine fast ebenso gute Spiegelung im See vorfindet. Als wir den See besuchten, war das Wetter eher bescheiden. Allerdings gefiel es mir auch an diesem leicht verregneten Tag sehr gut. Die Wolken, die sich in der Gipfelkette fingen, und die Ruhe vor Ort waren mystisch und andächtig.

Copland Track

Unsere letzte Unternehmung in diesem Gebiet war eine Zweitageswanderung über den Copland Track zur Welcome Flat Hut. Wir liefen diesen Track auf Empfehlung zweier Österreicher, die wir Wochen zuvor getroffen hatten und ich muss sagen: traue nie einem Österreicher, wenn er sagt ein Wanderweg sei wie ein Spaziergang. Zugegeben hatten wir schweres Gepäck mit, da die Kamera nicht fehlen durfte und wir nahrungstechnisch vermutlich etwas überausgerüstet losgelaufen sind. Aber 18 Kilometer entlang des Copland Rivers zu wandern und am nächsten Tag wieder zurück; das brachte uns schon an unsere Grenzen. Wir wurden allerdings mit schönem Wetter und sehr viel unberührter Natur belohnt und am Ende des Tages warteten an der Hütte natürliche heiße Thermalquellen auf uns, um unsere müden Knochen zu entspannen. Das warme Wasser tritt an dieser Stelle an die Oberfläche und verteilt sich in drei Becken, die jeweils unterschiedlich heiß sind. Es ist vermutlich traumhaft inmitten des Tales zwischen den schneebedeckten Gipfeln im warmen Wasser zu liegen. Allerdings hatten wir nicht so viel Glück, da Wolken aufgezogen waren und wir leider keine freie Sicht auf die Berge hatten. Vielleicht ist dieser Track die erste Sache, die wir nicht ohne Einschränkung empfehlen können, da die Strapazen die schönen Momente doch überwiegen. Als sportliche Herausforderung und bei richtigem Wetter gibt es allerdings genug wundervolle Stellen im Copland Valley.

Somit endet unsere Reise durch das Land der Gletscher und ich bin immer noch fasziniert von einer der schönsten Gegenden, die man im Paradies am anderen Ende der Welt findet.