Kapitel 4 – Hamadan & Kashan
Nach diesen Erlebnissen am Kaspischen Meer machten wir uns wieder auf den Weg ins Inland. Unser nächstes Ziel sollte Hamadan sein, wofür uns unser weg wieder durch das Elburs-Gebirge führte. Das schon seit Tagen eher graue regnerische Wetter schlug dann in den Bergen in dichtes Schneetreiben um. Etwas naiv zugegeben, hatten wir tatsächlich diese Witterung Ende April im mittleren Osten nicht erwartet. Aber da generell viele der zentralen Städte und eben auch Hamadan deutlich über dem Meeresspiegel liegen, war es kaum verwunderlich. Wir waren jedenfalls froh, als wir am Abend in Hamadan ankamen, und freuten uns schon auf ein vielseitiges Programm.
Nach Hamadan fuhren wir weiter in Richtung Süden, um am Rande der großen Kawir-Wüste einige der alten Oasenstädte zu besuchen. Kashan sollte die erste sein und hier waren wir dann tatsächlich in der Wüstenregion angekommen, die jedem direkt in den Sinn kommt, der an den Iran denkt. Ich war vorher noch nie wirklich in einer echten Wüstenregion und war sehr gespannt auf die Landschaften und die Menschen, die in so einer herausfordernden Umgebung leben.
Das Grab von Ester und Mordechai
Erster Ausflug in Hamadan führte uns zum Grab von Esther und Mordecai. Ester war ein jüdisches Waisenkind aus dem fünften Jahrhundert vor Christus. Nachdem der persische König Xerxes I. (Sohn von Dareios I.) seine Königin verstoßen hatte, weil sie sich dem Befehl widersetzt hatte bei einem Festmahl des Königs zu erscheinen, lud der König einige Jungfrauen in den Palast ein, um eine neue Königin zu erwählen und Ester konnte durch ihre Schönheit überzeugen. Zusammen mit ihrem Adoptivvater und Cousin Mordechai, der, nachdem er durch die Vereitelung eines Angriffs auf den König dessen Gunst erlangt hatte, sorgten Ester und Mordechai für die Abwendung eines Völkermordes an den im persischen Reich lebenden Juden. So wurde dieses Mausoleum zu einer bedeutenden Pilgerstätte zum Purimfest für Juden im Iran. Die Beschreibung im Tanach, wie auch in der Bibel werfen allerdings einige Zweifel an einem historischen Hintergrund der Geschichte auf. Die enorme historische Bedeutung dieses Ortes wird dadurch aber nicht geschmälert. Ein wirklich interessanter Ort.
Imam-Khomeini-Platz & Dizi
Nachdem wir wieder auf der Straße waren, konnten wir noch ein wenig die Innenstadt von Hamadan durchstreifen und vor allem den großen zentral gelegenen Imam-Khomeini-Platz. Hier konnten wir noch ein wenig modernes persisches Leben genießen und liefen auf dem großen Platz umher, während alle um uns ihrem täglichen Geschäft nachgingen.
Nach diesem Vormittag waren wir hungrig und auf uns wartete ein ganz spezielles Mahl. Es ging in ein kleines traditionelles Persisches Restaurant in der Innenstadt. Durch eine unscheinbare Tür und die Treppe hinunter in eine Art Kellergewölbe. Dunkel und gemütlich war es hier. Als Vorspeise gab es gemischte in Essig eingelegte Gemüsesorten und Salat, was relativ typisch für die iranische Küche ist. Der Hauptgang war aber das eigentlich Interessante. Es gab Dizi. Dieses wirklich wahnsinnig leckere Gericht ist im Prinzip ein Schmortopf auf Lammfleisch, Tomate, Kartoffeln, Kichererbsen und Bohnen. Zubereitet wird es in kleinen Tontöpfen und dann in zwei Stufen gegessen. Erst schüttet man ein wenig der Brühe in seine Schüssel und ist dies als Suppe. Danach zerkleinert man den Rest des Eintopfs mit einem kleinen Stößel. Superlecker!
Mausoleum von Baba Taher
Wir fuhren weiter durch die Stadt und gelangt zum Mausoleum von Baba Taher, einer der bedeutendsten Dichter der persischen Kultur, dessen Heimatstadt Hamadan war. Baba Taher lebte im 10. und 11. Jahrhundert nach Christi und war vor allem bekannt für seine Gedichte im klassischen Stil persischer Vierzeiler. Auch wenn das Mausoleum ein Bau der Neuzeit war, konnte man auch hier die reichverzierte Architektur genießen.
Wir hatten sogar das Glück einem Vortrag der Gedichte von Baba Taher lauschen zu können. Da wir kein Farsi sprechen, konnten wir uns den Inhalt leider nur zusammengefasst erzählen lassen, aber vorgetragen in Gesangsform bekommt man schon einen Eindruck von der Wichtigkeit des Dichters für die Persische Kultur.
Mausoleum von Avicenna
Nachdem wir unser Mittagessen hinter uns hatten, fuhren wir ein weiteres bedeutendes Mausoleum an. Die Grabstätte des, in Hamadan verstorbenen berühmten persischen Arztes Avicenna. Avicenna, der sich zu Lebzeiten selbst mit vielen verschiedenen Wissenschaften beschäftigt hatte, auch mit Kunst und Philosophie, war sowohl als Arzt als auch als Dozent tätig. In seiner Zeit am Hof in Hamadan wurde er sogar zum Wesir des Emirs ernannt. Das Mausoleum zeigt einige interessante Ausstellungsstücke und ließ uns erahnen, wie fortschrittlich Avicenna Medizin im elften Jahrhundert praktizierte. Es gab einige Lehrbücher zusehen, oder kleine Glasfläschchen verschiedener Größe und Farbe, welche als Medizinfläschchen dienten. Besonders beeindruckend war eine Sammlung von Kräutern und Naturheilstoffen, kategorisiert inklusive genauer Beschreibung von Anwendungsfall und Anwendung. Die Sammlung war selbstverständlich nachgestellt, aber es war beeindruckend wieviel Avicenna zu dieser Zeit über die Mittel, die ihm zur Verfügung standen, wusste und wie umfangreich die Sammlung verschiedener Arzneistoffe war. Einiges davon findet heute noch Anwendung.
Archäologisches Museum
Die Stadt Hamadan hat eine alte Vorgeschichte. Es wird vermutet, dass sich an dieser Stelle die alte Hauptstadt des Mederreichs Ekbatana befand, die später zur Königsresidenz zur Zeit der Achämeniden wurde. Vermutlich wurde die Stadt ca. 700 Jahre vor Christus gegründet und ist somit eine der ältesten Städte des Iran. Wir besuchten hier in Hamadan das Archäologische Museum, wo sich einige interessante Funde aus dieser sehr frühen Epoche begutachten ließen. Unter anderem eine alte in aramäisch auf Tierhaut geschrieben Bibel, die man hier gefunden und restauriert hatte. Aber auch Ausgrabungen der alten Stadt sahen wir uns an.
Ganjnameh
Nachdem wir Hamadan hinter uns gelassen hatten auf unserem Weg Richtung Süden, war unser nächstes Ziel Kashan. Doch auf dem Weg dorthin machten wir erstmal halt bei Ganjnameh, nur wenig Kilometer südlich von Hamadan. Der Ort selbst hat genauso wie Hamadan einen Bezug zum alten Mederreich Ekbatana. Ganjnameh liegt auf der alten persischen Königsstraße, die nach Mesopotamien führte. Hier fand man zwei alte Inschriften in Keilschrift, welche jeweils von den alten Königen Xerxes und Darius erzählen. Die Texte sind größtenteils identisch und scheinen die Königswürde der jeweiligen Könige durch den Gott Ahura Mazda zu rechtfertigen.
Straße nach Kashan
Als wir unseren Weg weiter in Richtung Süden fortsetzten, veränderte sich die Landschaft so langsam, aber sicher in das, was wir eigentlich erwartet hatten, als wir die Reise planten. Aus Berglandschaft und saftig grünen Feldern wurde zunehmend Steppe und Wüste. Eine leichte weiße Schicht war hier und da im rötlichen Sand zu erkennen. Anders als nur einige Tage zuvor handelte es sich hierbei allerdings um Salz und nicht um Schnee. Ein Unwetter zog in der Ferne auf und türmte die Wolken bombastisch hinter der hügeligen Landschaft auf. Grauschattierungen und Sonnenstrahlen verwandelten die Landschaft hier direkt in eine bahnbrechende Kulisse. Leider konnten wir nicht anhalten, daher konnte ich nur ein paar einzelne Aufnahmen aus dem Bus heraus machen. Die Stimmung war allerdings großartig und die Bilder gar nicht schlecht für ein „drive-by-shoot“.
Fin Garten
Auf unserem Weg nach Kashan hielten wir noch in der Abendsonne bei zwei interessanten Orten, die uns einmal mehr etwas über antiken persischen Lebensstil erzählten. Der Fin-Garten bei Kashan zählt zu den schönsten Gärten im Iran. So wie man ihn heute bestaunen kann wurde er im 16. Jahrhundert vom Safawidenkönig Abbas I. erbaut. Wie wir es schon öfters beobachten konnten, ist der Garten umgeben von einem Schutzwall mit vier runden Türmen an den Ecken. Typischerweise recht symmetrisch angelegt mit einem Pavillon in der Mitte und kleinen Wassergräben, Teichen und Fontänen. Hohe Zypressen spenden Schatten in der heißen Sonne der Wüste.
Generell wird hier klar, dass ein Garten mehr als nur eine ästhetische Funktion hat. Betritt man das Tor und gelangt nach langer Reise durch die Wüste (ok, in unserem Fall nur mit dem Bus), ins Innere des Gartens, kann man sich an der deutlich kühleren Atmosphäre im Schutz der Zypressen und in der Nähe des Wassers erfreuen. Die Perser verbinden gerne ästhetische Elemente mit praktischem Nutzen. Denn ein paar Grad Verdunstungskälte machen einen großen Unterschied in der Wüste.
Gespeist wird die Brunnenanlage, durch ein Qanatsystem, ein Tunnelsystem, welches das Wasser aus den Bergen zu dem Ort bringt, an dem es benötigt wird. Dazu aber später mehr.
Historisches Haus von Tabatabaei
Unsere letzte Station in Kashan war das historische Haus des sehr vermögenden Kaufmann Sayyid Dscha’far Tabatabayi. Das Haus wurde während der Kadscharen-Dynastie 1834 erbaut. Dieses für iranische Verhältnisse relativ junge Bauwerk ist ein gutes Beispiel für die traditionelle Architektur und den Wohlstand der großen Handelsfamilien in den Oasenstädten. Das Anwesen besteht aus vier Innenhöfen umschlossen von Gebäudeteilen, welche mit aufwendigen Bögen, Wandmalereien und Buntglasfenstern verziert sind. Auch hier ließ sich wieder beobachten, wie die Perser praktischen Nutzen mit allerhand Ästhetik verbinden. Innenhöfe mit Wasserbassins und Bäumen sorgen für ein kühleres Klima als außerhalb der Höfe auf den Straßen der Wüste.
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